hellenistische Staatenwelt

hellenistische Staatenwelt
hellenịstische Staatenwelt,
 
die auf dem Boden der Staatsgründung Alexanders des Grossen (zwischen Nordgriechenland, Ägypten und Indus) im Lauf der Auseinandersetzungen zwischen den Diadochen und deren ersten Nachfolgern geschaffenen Herrschaften.
 
Die Diadochen:
 
Aus den Kämpfen nach Alexanders Tod (323 v. Chr.) entstanden die Herrschaften des Ptolemaios I. Soter (Ptolemäer) in Ägypten, des Seleukos I. Nikator (Seleukiden) in Asien östlich des Euphrat, des Antigonos I. Monophthalmos in Kleinasien und Syrien, des Lysimachos in Thrakien und des Kassander (als Erbe Antipaters) in Makedonien. Der Zerfall des Alexanderreichs wurde 310/309 durch die Ausrottung der Dynastie Alexanders, formal durch die Annahme des Königstitels durch alle Machthaber (306/305) besiegelt. Kurz darauf (304) begründete Agathokles ein hellenistisches Königtum in Sizilien. Die erste Etappe der Diadochenkämpfe endete 301 (Schlacht bei Ipsos) mit Niederlage und Tod Antigonos' I., sein Reich wurde unter Lysimachos (der Kleinasien erhielt), Seleukos I. (Syrien) und Ptolemaios I. (Südsyrien) aufgeteilt. Der Versuch von Antigonos' Sohn Demetrios I. Poliorketes, das asiatische Reich seines Vaters zurückzugewinnen, misslang. 281 v. Chr. fiel Lysimachos im Kampf gegen Seleukos I., der Kleinasien gewann, aber 281 ermordet wurde. In den folgenden Wirren gelang den keltischen Galatern die Festsetzung in Kleinasien.
 
Die Epoche des Gleichgewichts:
 
Als Makedonien mit der Thronbesteigung von Antigonos II. Gonatas (276) konsolidiert war, war das für das 3. Jahrhundert gültige Bild der hellenistischen Staatenwelt im Wesentlichen geformt. Zu den drei großen Königreichen, dem Antigonidenreich (Makedonien, Antigoniden), Seleukidenreich (Vorderasien mit Iran) und Ptolemäerreich (Ägypten, Cyrenaika, Zypern), traten einige kleinere Staaten auf ehemaliges seleukidisches Reichsgebiet, die zunächst aber ohne größeren Einfluss auf das politische Geschehen blieben. Die hellenistischen Flächenstaaten waren absolute Monarchien mit zum Teil straff zentralisierter Territorial- und Wirtschaftsverwaltung, in der die Spitzenpositionen griechisch besetzt waren; wenigstens der Idee nach lag alle Macht beim König, der vielerorts nach seinem Tod, bald schon zu Lebzeiten, kulturelle Ehren genoss. Einzelne Elemente dieser Monarchie lebten im römischen Kaisertum fort (Herrscherkult).
 
Zwischen diesen Staaten, dem hellenistischen Reich Hierons II. in Sizilien und dem hellenisierten Karthago, herrschte im 3. Jahrhundert ein weitgehend aufrechterhaltenes, von den drei Großmächten bestimmtes Gleichgewicht. In Griechenland, wo die Hegemonie zunächst zwischen Kassander, Demetrios I. Poliorketes und Pyrrhos von Epirus umstritten war, dann von den Antigoniden angestrebt wurde, konnten nur Sparta und die Bünde der Achaier und Ätoler eine Rolle in diesem Kräftespiel beanspruchen. Dem politischen Gleichgewicht entsprach ein reger Fernhandel zwischen den im Wesentlichen ähnlich organisierten Wirtschaftssystemen (Höhepunkt der Wirtschaftsblüte um 250).
 
Politische und wirtschaftliche Krise im ausgehenden 3. und 2. Jahrhundert:
 
Durch die missglückte Rückkehr Philipps V. von Makedonien und des Seleukiden Antiochos III. zur Weltmachtpolitik Alexanders des Großen und das dadurch hervorgerufene Eingreifen Roms zerbrach das Gleichgewichtssystem. Von nun an standen die Großmächte im Abwehrkampf gegen Roms Expansion, aber auch gegen die Reaktion der führenden Kreise der einheimischen (orientalischen) Bevölkerung wie die der kleineren Staaten der hellenistischen Staatenwelt. Die Monarchie der Antigoniden wurde 168 v. Chr. gestürzt; Makedonien (148 v. Chr.) und Hellas wurden von den Römern unterworfen; Seleukiden- und Ptolemäerreich sanken zu Mächten zweiten Ranges herab, in denen bei wachsenden wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten die einheimischen Kräfte mehr und mehr Einfluss gewannen. Dadurch konnten die kleineren Staaten stärker hervortreten: neben Pergamon (133 v. Chr. römisch) auch orientalische Staaten, die in Kultur, Regierungs- und Verwaltungsform vom Hellenismus beeinflusst waren, so besonders Bithynien, Kappadokien, Pontos, der neu gebildete Makkabäerstaat und das Partherreich. Das 1. Jahrhundert v. Chr. brachte schließlich die endgültige Vernichtung der hellenistischen Staatenwelt durch die von iranischen Dynastien geführten orientalischen Mächte und durch Rom: Nach den kurzlebigen Reichsbildungen des Mithridates VI. Eupator von Pontos (✝ 63 v. Chr. ) in Kleinasien und des Tigranes von Armenien in Südkleinasien und Syrien stand das Partherreich als zweite Großmacht neben Rom; Rom selbst annektierte unter Pompeius Bithynien, Kilikien und den Rest des Seleukidenreiches (67-63), unter Octavian (30 v. Chr.) Ägypten, die übrigen kleinasiatischen Territorien und den Makkabäerstaat im 1. Jahrhundert n. Chr. Die hellenistische Kultur aber lebte auch unter römischer Herrschaft weiter.
 
 
E. Will: Le monde hellénistique in: E. Will: Le monde grec et l'orient, Bd. 2 (Paris 1975);
 E. Will: Histoire politique du monde hellénistique, 2 Bde. (Nancy21979-82).
 
Weitere Literatur: Hellenismus.

Universal-Lexikon. 2012.

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